Die öffentliche, politische und auch sozialwissenschaftliche Diskussion hat sich mit dem Zusammenhang von „ethnischer“ Vielfalt und Öffentlichem Dienst allenfalls im Rahmen der so genannten Diversity-Debatte beschäftigt. Dezidiert rassismuskritische Perspektiven auf den Öffentlichen Dienst fehlen bislang weitgehend.
Welche Bedeutung hat die wahrgenommene bzw. vermutete „ethnische Zugehörigkeit“ von Klient_innen und Patient_innen auf deren Behandlung in öffentlichen Institutionen?
Am Beispiel eines schweizerischen Sozialamts untersucht Constantin Wagner, wie in den Medien und der politischen Debatte zirkulierende, ethnisierende Kategorisierungen im Organisationshandeln öffentlicher Institutionen praxisrelevant werden und rassismusreproduzierend wirken. Das Weißsein – also die eigene „ethnische Zugehörigkeit“ – der fallführenden Sozialarbeiter_innen rückt dabei in den Fokus der Analyse. Dadurch wird die Frage von „Diversität“ im Öffentlichen Dienst aus einer im Mainstream nicht vorhandenen macht- und rassismuskritischen Perspektive betrachtet – denn im Mainstream wird eher die Frage gestellt, ob Minderheitenangehörige weniger objektiv wären, ganz so, als seien Angehörige der so genannten Mehrheitsgesellschaft „objektiv“.
Die Analyse verdeutlicht, dass die Sozialarbeitenden beim „Fallverstehen“ (zwangsläufig) auf ihnen zugängliche Erklärungsangebote der sich ihnen darstellenden sozialen Realität zurückgreifen. Während das Team im Hinblick auf andere wichtige Differenzdimensionen wie Geschlecht und Alter heterogen ist und sich unterschiedliche, jeweils subjektive Sichtweisen auf die Realität damit gegenseitig korrigieren können, fehlt diese Heterogenität auf der Ebene „ethnischer“ Zugehörigkeit bzw. von Rassismus (Nicht-)Betroffenheit. Dadurch werden einseitige, kulturalisierende bzw. ethnisierende Erklärungen in der Organisation dominant.
Die Ergebnisse der Fallstudie zum Sozialamt lassen sich leicht auf die Debatte über die Darstellung von Minderheiten in den Massenmedien beziehen: Auch hier greifen Journalist_innen auf ihnen zugängliche „frames“ – Wahrnehmungsrahmen – zurück und beschreiben die von ihnen wahrgenommene Realität auf Grundlage dieser Wahrnehmung. Solange keine von Rassismus betroffenen Personen in verantwortlichen Positionen diese Wahrnehmung in Frage stellen und andere, von ihrer Position aus zu sehende Realitätsausschnitte zeigen und benennen können, muss von Institutionen gesprochen werden, die unsere zeitgenössische Gesellschaft nicht angemessen repräsentieren.
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Öffentliche Institutionen als weiße Räume?
Öffentliche Institutionen als weiße Räume? | Soziale Ungleichheit und Lebensstile | Soziologie | Sozialwissenschaften | Programmbereiche | transcript Verlag
Welche Bedeutung hat die wahrgenommene »ethnische Zugehörigkeit« von Klient_innen und Patient_innen auf deren Behandlung in öffentlichen Institutionen? Am Beispiel eines schweizerischen Sozialamts untersucht Constantin Wagner, wie ethnisierende Kategorisierungen im Organisations- und Akteurshandeln praxisrelevant werden und rassismusreproduzierend wirken. Das Weißsein – also die eigene »ethnische Zugehörigkeit« – der fallführenden Sozialarbeiter_innen rückt dabei in den Fokus. Zudem wird die Frage von »Diversität« im Öffentlichen Dienst aus einer im Mainstream nicht vorhandenen macht- und rassismuskritischen Perspektive betrachtet
Source: www.transcript-verlag.de/978-3-8376-3950-6/oeffentliche-institutionen-als-weisse-raeume