Autorin Susanna Lieber, Berlin 21.02.2023 –
Ein neuer Laptop ist online schnell gekauft und geliefert. Man freut sich darüber, weil gleich mit Windows 11 vorinstalliert! Es bleibt wenig Zeit, bis man ihn mit auf die Reise nehmen muss. Daher ist jeder eingesparte Arbeitsschritt bei der Installation willkommen, vor allem für jemanden, der nur ein minderbegabter Nutzer ohne besondere IT-Skills ist.
Natürlich müssen noch diverse Programme außerhalb von Microsoft heruntergeladen werden. Normalerweise ist das problemlos möglich. Aber was passiert, wenn die Microsoftumgebung plötzlich auf Exklusivität besteht und keine Möglichkeit anbietet, Fremdsoftware zu installieren? Der Nutzer fängt an zu suchen: altbekannte Wege werden x-mal hintereinander im Kreis ausprobiert nur um festzustellen, dass das wichtigste Element fehlt; nämlich bei Apps „Features“. Man liest im Internet bei Microsoft nach wie man verfahren soll – man macht laut Anleitung alles richtig. Doch das Wort taucht trotzdem im Menü nirgends auf. Nichts kann installiert werden, das nicht der benannten Familie entspringt. Kein Fenster geht auf. Keine Frage im Fenster, was man wie oder wo installieren möchte. Kein Fenster nirgendswo. Das Problem: die Benutzeroberfläche sieht aus, wie sie sollte, aber es ist und bleibt – unter „Apps und Features“ gibt es einfach keine „Features“. Nirgends. Auch nicht via „Suchen“.
Gefangen im Microsoftuniversum? Warum? Ein neuer Trick bei Nummer 11? Inzwischen fragt man sich, ob man an Wahrnehmungsstörungen leidet oder einfach zu blöd ist?
Also wird die Internetsuche erweitert im Sinne von „geht nicht“. Und siehe da – viele andere Menschen auf dieser Welt haben dasselbe Problem. Microsoft gibt selbstverständlich mehrere Anleitungen zum Beheben des Fehlers. Nur leider funktioniert lt. Nutzerkommentaren keiner der Wege wirklich!
Ein Anruf bei DELL, dem Laptopproduzenten, führt zu einer eher amüsanten Konversation mit dem Servicetechniker. Der möchte natürlich remote auf den Laptop zugreifen. Und dazu soll man bei DELL den entsprechenden Supportzugang installieren. Nur leider ist der auch nicht von Microsoft. Also wieder nix mit Fenster geht auf. Die Mail von DELL mit der Neuinstallationsanleitung ist sehr ausführlich, überfordert mich leicht, man braucht drei Datensticks (die ich nicht besitze) und noch vieles mehr … Der Ursprung des Dramas ist natürlich ein Bug. Das kann passieren – es reicht, wenn eine Null mit einer Eins verdreht ist. Und Produkte reifen ja heutzutage sowieso erst beim Kunden aus.
Natürlich kann man das Gerät zurückschicken. Aber wenn man es dringend braucht?
Da hilft nur ein Experte und wohl dem, der einen im Freundeskreis hat.
Gleichzeitig kommen Gedanken auf, die garnicht schön sind.
Wann kommt eigentlich der Punkt, an dem man keinen mehr kennt, der sich auskennt? Nicht jeder hat den hilfreichen Enkel, dem er oder sie vertrauen kann. Dann wird es unter Umständen teuer und/oder zusätzlich mit großer Wahrscheinlichkeit auch noch gefährlich.
Jeder von uns wird älter und kann und will vielleicht auch nicht immer auf dem neuesten Stand der Technik sein. Es gibt im Alter durchaus andere Prioritäten. Die digitale Entwicklung wird uns aber dazu zwingen – egal ob bewältigbar oder nicht. Zum Beispiel im lebenswichtigen Bereich des Onlinebankings, bei dem permanent immer umfassendere Sicherheitssysteme einführt werden, kann man auch in die Unerreichbarkeit geschützt werden.
Ähnliches gilt für die zunehmende Digitalisierung von Ämtern und Behörden.
Wenn alles installiert ist und gut für den Nutzer läuft, kommt garantiert nach ein oder zwei Jahren eine Änderung, die den bisherigen Umgang komplett verändert. Und dies nicht nur auf einer Nutzerplattform. Wie soll das ein alter Mensch bewältigen? Und älter werden alle, auch die sogenannten Digital Natives – die allerdings manchmal nicht einmal die berechtigten Sicherheitsbedenken verstehen. Das Handling ist u.U. kein Problem, aber wie soll der Zugang sicher installiert werden, wenn man das selbst nicht mehr kann und keine vertrauenswürdige Person im Umfeld hat?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der es immer mehr ältere Menschen gibt. VHS-Kurse für Seniorinnen und Senioren im Bereich Digitalisierung sind hilfreich, aber die Frage der Vertrauenswürdigkeit bei der Unterstützung, wenn die Überforderung eintritt, wird von niemandem wirklich angesprochen. Dabei geht es hier um die Sicherheit bei der Installation der Sicherheitssysteme und nicht nur um deren Nutzung. Dies hat nichts mit Demenz oder Alzheimer zu tun. Im Alter verlangsamt sich die Motorik sowie auch die Wahrnehmung. Das ist normal. Im analogen Alltag sind die meisten Hochbetagten voll funktionsfähig, nur des Digitale ist nicht mehr ohne weiteres zu bewältigen. Wird es dann ein neu definiertes Krankheitsbild digitale „Demenz“ geben? In einer rechtlich verbindlichen Dimension, welche die nicht mehr vorhandene digitale Handlungsunfähigkeit voraussetzt?
Wie gesagt, bei Menschen, die analog nach wie vor voll handlungsfähig sind? Wie weit kann diese Entwicklung gehen? Welche Konsequenzen wird das haben? Das Bereitstellen analoger Systeme als gleichberechtigt zu digitalen wird es nicht geben. Die Kosten dafür will niemand tragen. Letztendlich wird wohl das Entmündigen billiger sein?
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