Covid-19 in den (Mainstream-)Medien und die Folgen

In https://medien-meinungen.de/2020/07/mediale-konstruktion-oder-wenn-der-fokus-auf-dem-unsozialen-liegt habe ich beschrieben, wie die Berichterstattung über die Corona-Proteste einer Spalte-und-herrsche-Politik dient, die viele Menschen von den wirklichen Problemen und den Protesten dagegen ablenkt. In weiteren Texten (z.B. https://medien-meinungen.de/2020/10/wie-koennte-es-in-den-medien-besser-laufen) setzte ich mich weiterhin mit bestimmten Medien kritisch auseinander und versuchte darzustellen, wie es besser laufen könnte. In diesem Text soll es fortführend um einige Aspekte der Covid-19-Berichterstattung in den (Mainstream-)Medien gehen und welche Folgen das hat.

Es wird sehr viel über Covid-19 berichtet: Infektionszahlen, Lage in anderen Ländern, Impfstoffentwicklung, mögliche Einschränkungen usw. So entsteht leicht der Eindruck, das wäre ein ganz wichtiges Thema. Dass z.B. durch das gegenwärtige Wirtschaftssystem und die dadurch beeinflusste Wirtschaftspolitik jährlich Millionen Menschen an Hunger und leicht behandelbaren Krankheiten sterben, spielt eine wesentlich geringere Rolle. Auch z.B. die starke soziale Ungleichheit und die undemokratische Machtverteilung bei uns, die durch Covid-19 noch einmal verdeutlicht wurde und an der auch Millionen Menschen bei uns leiden, werden als nicht so wichtig betrachtet. Das führt dazu, dass Unzufriedene sich eher mit Covid-19 als mit den eigentlichen Problemen beschäftigen. So haben bei der in https://medien-meinungen.de/2020/10/wie-koennte-es-in-den-medien-besser-laufen erwähnten Friedensmahnwache Dresden (www.mahnwache.wordpress.com) Leute festgestellt, wie durch diese Covid-19-Darstellung in den Mainstream-Medien im März 2020 Angst erzeugt wurde und dies zu irrationalen Handlungen geführt hat. Um dem etwas Wirksames entgegenzusetzen, bedienten sie die gleichen Mechanismen, aber mit entgegengesetzten Inhalten. Sie schürten die Angst vor einer Corona-Diktatur. Ich versuchte zwar, darauf hinzuweisen und zu bitten, dass diese Angstmache doch bitte den Herrschenden überlassen werden sollte und wir eher mit Aufklärung und sachlichen Informationen agieren sollten. Aber es war schon zu spät. Diese Meinungen hatten sich schon verfestigt, auch wegen der zwischenzeitlichen Einschränkung des Versammlungsrechts und des dadurch eingeschränkten Austauschs. Das führte entsprechend der beschriebenen Spalte-und-herrsche-Politik dazu, dass sich gegen sie wieder andere Personen engagierten. Die Vorwürfe Verschwörungstheorie einerseits, Diktatur und Unterdrückung der Freiheit andererseits verstärkten sich gegenseitig. So wurde auch in den Mainstream-Medien darüber berichtet.

Einerseits wurde im Gegensatz zu vielen anderen Protesten darüber ausführlich berichtet, andererseits wurde ein Aspekt herausgegriffen, mit denen sich viele Teilnehmende nicht identifizieren konnten. Das bestärkte sie in ihrer Meinung, dass die Mainstream-Medien lügen und werteten dies als weiteren Beweis für eine Diktatur, aber nicht für eine Diktatur des Kapitals, sondern eine Corona-Diktatur, siehe auch https://medien-meinungen.de/2020/08/medienbeobachtungen-eines-kritischen-buergers und https://medien-meinungen.de/2020/09/beurteilungskriterien-fuer-medienbeitraege-fortsetzung-der-leserbriefreihe. Aber im Gegensatz zu den dort beschriebenen Kriterien merkte ich, dass eben diese Personen andere Verurteilungen unkritisch übernahmen, sofern diese andere Gruppen betrafen (z.B. Auseinandersetzungen in Leipzig-Connewitz). So wird die Spaltung innerhalb der Gesellschaft vertieft, eine ergebnisorientierte Diskussion findet kaum statt, stattdessen verhärten sich die Positionen und damit die gegenseitigen Angriffe.

Mir fielen noch weitere Aspekte auf: Bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst war seltener die Rede davon, dass die Corona-Held*innen besser bezahlt werden müssten (siehe auch https://medienverantwortung.de/2020/11/04/imv-newsletter-november-2020-pflege-und-das-versagen-der-maerkte) und dafür diejenigen entmachtet werden müssten, die den Abbau der Krankenhauskapazitäten vorangetrieben und das System der Fallpauschalen eingeführt haben. Häufiger kam die Aussage, die Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und besserer Bezahlung wären unbezahlbar. Aber z.B. für die Lufthansa ist genug Geld da, ohne dass diese unter demokratischer Kontrolle gestellt und zu Sozial- und Umweltstandards verpflichtet würde. Von der Ablehnung von Steuererhöhungen für die Superreichen ganz zu schweigen. Auch hier dienten die Mainstream-Medien eher den Herrschenden, als eine kritische Öffentlichkeit herzustellen. Auch die vielen Proteste für mehr Pflegepersonal sind eher in bestimmten Alternativmedien (z.B. in der jungen Welt: www.jungewelt.de) Thema.

Auch das Thema Bundeswehr im Zusammenhang mit Covid-19 sehr einseitig behandelt. Es wurde öfters erwähnt, wo die Bundeswehr Hilfe leistet. Aber die Bundeswehr ist für Militäreinsätze ausgebildet. Da könnten ebenso andere Personen mit entsprechender Ausbildung, einschließlich Erwerbslose oder Personen, die wegen Überlastung ihren Beruf gewechselt haben, dafür eingesetzt werden. Außerdem zeigt dies, dass die Bundeswehr zu viel Personal hat. Es könnte also problemlos Geld von der Bundeswehr abgezogen und Bundeswehrangehörige entlassen werden und z.B. der Gesundheits- und Pflegebereich besser ausgestattet werden. Diesen Zusammenhang hörte ich aber nie in den Mainstream-Medien. Das könnte ja auch nicht zur Werbung für die Bundeswehr oder für den Aufbau des Bundeswehreinflusses in gesellschaftlichen Strukturen genutzt werden. Im Gegensatz wurde ein Berliner Stadtbezirk angegriffen, weil er keine Bundeswehrangehörige haben wollte. Dort war wieder zu sehen und zu hören: Als ideologisch gilt, wer die Meinung der Herrschenden nicht teilt, dagegen gilt die Meinung der Herrschenden nicht als ideologisch.

Sicher gibt es noch weitere Beispiele, wie auch durch Unterstützung der Mainstream-Medien eher die Interessen der Herrschenden, als einer kritischen Öffentlichkeit bedient werden. Die Frage ist: Ist das Absicht oder was ist die Ursache dafür? Einiges hatte ich ja schon in https://medien-meinungen.de/2020/09/beurteilungskriterien-fuer-medienbeitraege-fortsetzung-der-leserbriefreihe erwähnt.
Für eine Absicht spricht, dass die Verantwortlichen nicht dumm sind, die Folgen auch selbst beobachten und auch durch Kritik an ihrer Vorgehensweise mitbekommen. Allerdings weisen sie die Vermutung einer Absicht mit Empörung von sich. Sie wollen angeblich etwas ganz Anderes.
Aber wenn versucht wird, den Zusammenhang zwischen ihren Texten und bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungen nachzuweisen, habe ich bisher nur Ablehnung erlebt. Wenn sie wirklich etwas ganz Anderes wollten, würden sie ja bei Misserfolg eher fragen, was sie ändern müssten. Das geschieht aber nicht.

Für mich überzeugender ist die Annahme, dass die Verantwortlichen durchaus glauben, dass sie einer guten Sache dienen, wenn sie so einseitig berichten (lassen). Sie denken, sie setzen sich für Freiheit, Demokratie, Wohlstand usw. ein. Aber sie sind gleichzeitig vom herrschenden System geprägt. So merken sie nicht, dass Freiheit die Freiheit der wirtschaftlich Mächtigen ist, dass Angela Merkel recht hatte, als sie von marktkonformer Demokratie, also Diktatur des Kapitals, sprach, dass Wohlstand einer Minderheit mit Umweltzerstörung und dem Elend von Milliarden Menschen verbunden ist usw. Deshalb denken sie im Zusammenhang mit Covid-19, dass sie der Aufklärung der Bevölkerung und einer lösungsorientierten Problembeschreibung dienen. Dass viele von ihnen eher den obengenannten Entwicklungen dienen, würde ja alles, was sie bisher getan haben, infrage stellen. Ich weiß z.B. von 1989/90, wie schwer das ist. Deshalb kann ich diese Haltung gut verstehen. Aber so entstehen viele kleine Gruppen, die ihre Meinung als die Alleinrichtige ansehen und nicht mehr mit anderen Personen ergebnisorientiert ins Gespräch kommen. Auch dadurch wird gefördert, dass die Lebensgrundlagen durch unser Wirtschaftssystem weiter zerstört werden. Dies halte ich bei allem Verständnis für eine gefährliche Entwicklung.

Uwe Schnabel, Dresden

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